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Bericht von Andreas Forstmaier

Über die Freiwilligentätigkeit mit Movimento Gaio 19. Oktober - 20. Dezember 2019

Wie ich auf das Projekt gestoßen bin

Während meinem Erasmus Aufenthalt in Porto habe ich von einem Bekannten, der selbst schon öfters bei Pflanzungen von Movimento Gaio mitgeholfen hat, vom Projekt erfahren.

Als ich das erste Mal mitgekommen bin, haben wir eine der bereits angelegten Pflanzungen für die heißen Monate vorbereitet. Es war schon recht warm, die Gebirgslandschaft trocken und karg mit vielen stacheligen Büschen, die die vom Waldbrand 2016 kahl geschorenen Flächen besiedeln und es dem neu gepflanzten Bäumchen erschweren, die ersten Jahre zu überleben. Kaum vorstellbar, dass es hier mal Wald gegeben haben soll. Als wir Mittags schweißgebadet den Hang herab stiegen und uns an einem kleinen Bach im kühlen Schatten ausruhten, fiel mir die Fülle an Leben auf, die sich um diese Lebensader erhalten fand. Weiden, Birken und Eichen, üppig grüne Farne so groß wie Palmwedel auf Felsen, bedeckt von Moos und Flechten, umsäumten den kühlenden, klaren Bach.

Wie kam es, dass sich das Leben, das einst die ganzen Berghänge bedeckte, sich nur noch in diesen Rückzugsorten erhalten konnte?

Große Flächen des Gebirges wurden vom Menschen mit Monokulturen bepflanzt, früher Kiefern und heute Eukalyptus, die dieses über Jahrtausende aufeinander eingestimmte Ökosystem Wald aus dem Gleichgewicht brachten. Mit Monokulturen hat das Feuer oft leichtes Spiel, da die Fähigkeit des Waldes Wasser zu speichern abnimmt und diese beiden angebauten Arten besonders leicht brennbar sind. Nach dem Waldbrand bleibt nichts als verbrannte Erde und kahle Baumstümpfe.

 

Konzept vom Movimento Gaio

Entsetzt vom Anblick der kahlen verbrannten Landschaft, möchte der gemeinnützige Verein Movimento Gaio der einzigartigen Gebirgsregion Serra da Freita wieder einen Wald zurückgeben, der bestehen bleibt.

Das Konzept von Movimento Gaio ist es, von der lokalen Gemeinde verwaltete Flächen (Baldios), mit einheimischen Laubbaumarten wieder aufzuforsten. Dabei arbeitet der Verein eng mit den örtlichen Gruppierungen zusammen und versucht, bei der Projektumsetzung wo immer möglich, Freiwillige einzubinden. Die meisten Freiwilligen kommen für die einzelnen Projekte aus der Region und aus umliegenden Städten, sowie auch von weiter her und aus dem Ausland. Für längere Aufenthalte von Freiwilligen im Rahmen des Europäischen Freiwilligen Dienstes (European Voluntary Service EVS oder neuerdings European Solidarity Corps) arbeitet die Organisation mit Rosto Solidario in Santa Maria da Feira zusammen und stellt den Freiwilligen eine Unterkunft sowie Taschengeld für den Aufenthalt und Verpflegung zur Verfügung.

 

Einblick in die Arbeit

Wo und was arbeitet man?

Die Pflanzungen die vom Movimento Gaio und seinen Freiwilligen angelegt wurden, liegen in einer Bergregion etwa 45 km Südöstlich von Porto. Dort arbeitet man im Gelände, an Hängen oder auf der Hochebene. Obwohl sich die Arbeit vom Movimento Gaio auf die Bergregion Serra da Freita konzentriert, konnte ich während meines Aufenthalts viele andere Orte kennenlernen. Zum Beispiel haben wir, um Samen für neue Pflanzungen zu sammeln, einige Tage im und um den National Park Gerês verbracht. An Tagen, an denen wir nicht in den Bergen gearbeitet haben, sind wir in der Region in der Nähe von Porto in den zwei Baumschulen in Gondomar und in Gaia tätig gewesen. Dort werden die gesammelten Samen in Töpfe gebracht, umgetopft und selektiert, um die neuen Pflanzungen vorzubereiten. Manchmal veranstaltet der Verein auch Events in kulturellen Einrichtungen, Schulen, Altersheimen etc. um dort Menschen für das Thema Wiederaufforstung zu sensibilisieren. Sonst bleibt natürlich auch immer Zeit, etwas auf eigene Faust zu unternehmen und die Stadt Porto oder umliegende Gebiete zu erkunden.

 

Ein Beispielarbeitstag

Heute sind wir morgens im Dorf Cabreiros kurz nach Sonnenaufgang aufgewacht. Die Fenster noch beschlagen vom Morgentau, machten wir uns daran, das Frühstück vorzubereiten, um Energie für den Tag tanken. Kurz danach ging es los mit dem Auto auf eine der Pflanzungen. Wir fuhren nach Ameixieira, wo auf der Fläche des Baldios (Gemeindeland) in mehreren Pflanzungen nach dem Waldbrand die Wiederaufforstung begonnen wurde. Dort fingen wir in einem eher feuchten Gebiet in der Nähe der Straße an, Buchen zu pflanzen. Einige ältere 1.5 Meter hohe Bäume und etwa 30 zweijährige Buchen.

Später machten wir uns an die Arbeit auf einem der Wege, den wir die Tage zu vor mit der Motorsense von Gestrüpp befreit hatten, eine Linie von Zypressen in 1.5 Meter Abständen zu pflanzen. Diese sollen, wenn sie größer sind, im Falle eines Waldbrandes als Feuerschutz dienen und das Buschwerk verdrängen. Nach einem sonnigen Arbeitstag ging es dann für Bernardo wieder zurück nach Porto. Ich blieb noch eine Nacht im Zelt, um am nächsten Tag auf eigene Faust weiterzumachen und die Region zu erkunden.

 

Was ich gelernt habe

Zunächst selbstverständlich viel über Wald, Baumarten, deren Eigenschaften und Standortvoraussetzungen und so weiter. Was ich interessant fand, war die Planung von neuen Pflanzungen. Da die Pflanzungen in Gebieten liegen, in denen Waldbrände häufig sind (2016 ist fast die gesamte Bergregion abgebrannt), muss man die Pflanzung geschickt anlegen, um sie resistenter gegenüber neuen Waldbränden zu machen. Dabei können zum Beispiel die Auswahl von feuerresistenten Arten in anfälligen Regionen der Pflanzung helfen oder das Ausnützen von Symbiose zwischen verschiedenen Baumarten sowie Pilzen (Mycorrhiza).

Über das Fachwissen hinaus lernt man viel Praktisches. Zum Beispiel den Umgang mit der Motorsense und anderem Werkzeug, das Pflanzen von Bäumen, sowie das Organisieren und Vorbereiten von Veranstaltungen, und zu guter Letzt auch ein wenig portugiesische Sprache und Kultur.

Portugiesische Kultur. Das heißt vor allen Dingen Spontanität. Dass ein Plan einmal aufgestellt ist, geht schnell, dass er sich ändert, umso schneller.

Man kommt zur verabredeten Uhrzeit oder ein paar Stunden später oder auch eben gar nicht. Vielleicht gibt es ja auch gar keinen Plan, man richtet sich einfach nach den Umständen, die sich natürlich jederzeit ändern können. Man bleibt flexibel.

Aber die vermutlich wichtigste Lehre, die ich aus dem Volontariat ziehe, ist, wie schwer es ist, die sich über Jahrtausende entwickelten Ökosysteme wieder herzustellen und wie schnell es geht, sie zu zerstören. Wenn wir in Zukunft noch von intakten Wäldern umgeben sein wollen, müssen wir jetzt umdenken und handeln. Das heißt tätig werden, sich die Hände schmutzig machen und mit anpacken. Zusammen ist es möglich.

Nomen est Omen. Andreas war, wie sein Name anzeigt, begeistert von Wald und von der Möglichkeit, ihn wieder anzupflanzen.


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