In diesem Blog erzähle ich Geschichten vom Reisen, vom Waldbau in Portugal, vom Sterben und vom Leben in unsicheren Zeiten.
Reisen war für mich immer wichtig. "Und steigt
aus des Alltags Katarakt wie ein seltsamer Regenbogen" (Günter Kunert) – das Wagnis, nicht der Untergang. Aber Liebe ist es, die meine Neugier entfacht. Reisen bildet: den Geist, den Charakter,
die Aufmerksamkeit für Unbekanntes. Und wie nebenbei begegnen wir uns selbst als uns selbst Unbekannte. Wir erweitern unseren inneren Horizont, je mehr Horizonte wir durchschreiten. Ist jemand
von Euch schon einmal unter einem Regenbogen hindurchgegangen? Ungefähr so ist es. Nur, dass es auch eine schwarze Sonne gibt und dunkle Regenbögen. Auch durch sie kommen wir
hindurch.
Davon berichte ich im Selbstinterview Aufbrüche – Abstürze. Einer meiner besten Freunde ist in diesem März (2020) nach langer schwerer Krankheit gestorben, der Dichter und
Reisende Oliver Mertins. Für ihn schrieb ich ein Kaddisch, das viel zu kurz ausfiel im Vergleich zu dem, was ich
ihm zu danken habe. Auf unserer zweiten Reise nach Portugal, die eine Etappe zum Hierbleiben und Aufbruch in neue Weiten war, sagte er wie nebenbei: "Leben, das ist etwas anderes." Zu Beginn
unseres Kennenlernens im verrückten Berlin der achtziger Jahre beschrieb er sich als die Biene, die den Anderen umkreist und zusticht, wenn der unaufmerksam ist. Er stachelte auf wie Sokrates,
von dem er diesen Vergleich übernommen hatte. Ich werde noch über Begegnungen und Gespräche mit ihm berichten. Das ist ja das Gute an einem Blog, ich kann veröffentlichen, was und wann ich
möchte. Ich kann nur hoffen, dass mein langes Fernbleiben von Deutschland mich möglichen Lesern nicht zu sehr entfremdet hat.
An dieser Stelle meine Reverenz an Utz Rachowski, der über Jahrzehnte unverdrossen (aber das
weiß ich ja gar nicht so genau, allerdings spricht das Ergebnis für sich) Gedichte schrieb und vor Kurzem ein wunderbares Buch veröffentlichte,
Die Dinge, die ich vergaß und das Poesiealbum 339.
Oliver Mertins hat mich einmal einen Anrainer der Dichtung genannt, jemand, der selbst gehindert ist, Gedichte zu schreiben, aber ohne sie nicht leben kann. An dieser Stelle meine Reverenz an Reiner Kunze, zu dem Utz Rachowski, Jürgen Fuchs und Axel Reitel in ihrer Jugend eine weit innigere Beziehung hatten als ich. Ich hatte ihn gelesen und schätzte ihn. Aber ich war nun einmal Wolf Biermann verfallen, etwa so, wie ich die Rolling Stones den Beatles vorzog. Biermann war mir näher; heftig, krass, die Stimme meines Zorns. Und klar, er konnte singen wie sonst niemand, Gerulf Pannach und Kuno Kunert ausgenommen. Ihr Konzert in der Akademie der Künste 1977 bleibt unvergessen. Doch nach all der zerrissenen Zeit zeigt sich, dass die Dichtung Reiner Kunzes nachhaltig ist. Beim Wiederlesen überraschte mich, wie die politisch verstandenen Bilder ihren tieferen Grund bewahrt haben und nun umso vehementer hervortreten. Mithilfe meiner Frau Teresa habe ich ein Dutzend seiner Naturgedichte ins Portugiesische übertragen und werde diese Auswahl auch hier mit seiner Erlaubnis vorstellen. Auf der Webseite reiner-kunze.com findet sich der Eintrag "Schirmherr des Bernd-Markowsky-Wiederaufforstungsprojekts “Movimento Gaio”, Portugal".
http://collegiumnovum.blogspot.com/
Ein Blog von Axel Reitel - Kritik,
Essay, Feature, Reportage, Erzählung, Gedicht, Foto, Bild und und Lied
Brainpickings - ein Portal zu Kultur, Literatur, Philosophie und Kunst der unermüdlichen Enzyklopädistin und Autorin Maria Popova.
Oder wie man eine Zukunft entwirft, ohne sie zu prophezeien. "Ich habe eine Botschaft und die lautet: Keine Sicherheit", wie Günter Kunert sagte, "der Boden jedem Schritte unbekannter." Und dieser Tage sagte wiederhote das Edgar Morin. Eine Archäologie falscher Hoffnungen wird sich auch dieser Zeit annehmen, die sich mit zunehmenden Eifer selbst begräbt. Ohne Hoffnung aber lässt sich nicht leben. Jedem Skeptiker wohnt eine Hoffnung inne. Gelebte Hoffnung aber muss zunächst entworfen werden.
Dort hinten lebt niemand, sagte er. Willst du dort hin? Und wenn ja, kannst du das?
auch, doch anders als Bücher. Man liest sie betrachtend und beim Durchwandern, den Raum verinnerlichend. Ich bin in der Landschaft, die Landschaft tritt bei jedem Schritt in mich ein. Sie durchschreitend begreife ich sie als großen Körper, mit Adern, Erde, Knochen, in allen seinen Formen, die zusammenwirken, lebendig sind und Leben bergen.
Zellteilung findet in flüssigem Medium statt.
Alle Fotos ©Bernd Markowsky, soweit nicht ausdrücklich anders ausgewiesen.
Porto,
Portugal
Auf den französischen Philosophen, Soziologen und Autor Edgar Morin habe ich mich bereits 2015 im Essay "souverän" bezogen, der in Annäherungen an Robert Havemann veröffentlicht wurde. Ich finde es merkwürdig, dass er in Deutschland kaum bekannt und wenig veröffentlicht ist. Eine Ausnahme bildet Lettre International, eine Zeitschrift, die ich seit ihren Anfängen so oft ich kann, beziehe. Von 1991 bis 2018 hat sie 14 Beiträge von Edgar Morin veröffentlicht, was wohl ihrem Gründer Antonin L. Liehm zu verdanken ist. Ich habe ein Dutzend Interviews und Beiträge von Edgar Morin gelesen, die auf cairn.info und Le Monde frei verfügbar sind, drei von ihnen ausgewählt und übersetzt. Es war wie Bergwandern, eine Frischluftkur. Jetzt auf Zeitreissen.